Seborga

Seborga

Wenige Kilometer von der ligurischen Blumenriviera entfernt liegt Seborga, ein kleines, hübsches Städtchen mit knapp 350 Einwohnern, das sich im Jahr 1993 selbst zum unabhängigen Fürstentum ernannt hat. Wir haben es besucht, und hier mein Bericht.

Man kann es leicht übersehen, das weißblaue Grenzwächterhäuschen, in einer Kurve, einige Kilometer vor dem Ziel. Es neigt sich bedenklich der Böschung zu, ein Wachsoldat ist allerdings nicht in Gefahr. Weit und breit ist niemand zu sehen. Linker Hand dann ein mehrsprachiges Schild: Willkommen im Antiken Fürstentum Seborga. Der Ort liegt sehr hübsch auf einem Bergrücken, inmitten von Mimosenhainen und weißem Ginstergestrüpp, das gerade in voller Blüte steht.

Keiner kennt ihn wirklich, den rechtlichen Status von Seborga, jener Enklave im Hinterland von Bordighera, die von sich behauptet, ein veritables Fürstentum zu sein. Ein Fehler, eine simple Vergesslichkeit wird häufig ins Feld geführt, wenn der fehlende Anschluss Seborgas an Italien erklärt werden soll. Das Gebiet bedeckt etwa 4 km² und wird bewohnt von rund 350 Bürgern – oder Untertanen, wie man will.

Die wenigen Bewohner Seborgas, alle übrigens im Besitz regulärer italienischer Ausweise, haben im Jahre 1963 einen Herrscher über sich gewählt, Giorgio I, im bürgerlichen Leben Giorgio Carbone. Der rührige Unternehmer hatte sie überzeugt, dass Seborga weder bei der Neuordnung Europas beim Wiener Kongress 1815, noch bei der Gründung der italienischen Republik 1846 einer Staatsmacht unterstellt war und somit souverän sei. Die Geschichte von Seborga hat in der Tat Wurzeln, die bis ins frühe Mittelalter zurückreichen. 1079 war das Lehen der Grafen von Ventimiglia zum Fürstentum erhoben worden. Entsprechende Dokumente befinden sich in einem anderen Kleinstaat auf italienischem Boden, im Vatikan.
Seborga Panorama 2015
Bis heute hat Italien nie einen eindeutigen Beweis für die Zugehörigkeit Seborgas zu seinem Staatsgebiet vorgelegt und es den Bewohnern überlassen, aus der Legende Kapital zu schlagen. Das vorgeblich nach Autonomie strebende „Antike Fürstentum Seborga“, das 1993 ausgerufen wurde, ist heute eine Touristenattraktion. Sogar National Geographics war schon da. Am Mythos wird fleißig weitergestrickt. Jetzt schickt man gar einen angeblich in Seborga begrabenen Sohn Jesu in den Marketing-Feldzug.

Besucher finden in Seborga eigentlich nichts anderes, als auf jedem beliebigen Bergrücken Westliguriens, nur dass hier dank des cleveren Marketings ein paar Souvenirläden und Restaurants ihr Auskommen finden. Ende April beginnt hier die Saison, da klingelt dann auch der „Luigino“ in der Kasse – jene antike Münze Seborgas, deren Neuprägung eine Herausforderung der Staatsmacht im fernen Latium darstellt.

Doch Rom hat über dererlei Demonstrationen der Unabhängigkeit von Seborga bisher geflissentlich hinweggesehen, auch über den Druck von Briefmarken und den Zusatz des Wappens von Giorgio I. zum Autokennzeichen. Jüngst hat der Herrscher zwei verdiente Förderer Seborgas in den Adelsstand erhoben. Die Operette kann weitergehen, denn nur wo Adel ist, ist auch ein Hof.

Die internationale Anerkennung blieb dem „Antiken Fürstentum Seborga“ trotz aller Anstrengungen bis heute versagt.